Von Theresienstadt nach St. Gallen
In den letzten Monaten des Zweiten Weltkriegs gelang es mehrmals, einige Tausend Jüdinnen und Juden vor der systematischen Ermordung durch NS-Deutschland zu retten. Dazu gehörten auch die 1200 ehemalige Häftlinge aus Theresienstadt, welche am 5. Februar 1945 den «Zug in die Freiheit» bestiegen und das Konzentrationslager verliessen. Die meisten Passagiere waren ältere Menschen, aber auch Kinder waren darunter. Die Befreiten kamen aus Deutschland (inkl. Österreich), den Niederlanden und der Tschechoslowakei. Sie erreichten die Schweiz am frühen Morgen des 7. Februars 1945 via Kreuzlingen und St. Gallen, wo sie für mehrere Tage im Schulhaus Hadwig untergebracht waren. Dieses ist heute Teil des Campus der Pädagogischen Hochschule St. Gallen.
Die Auswirkungen der schweizerischen Flüchtlingspolitik
Bedingt durch die damalige restriktive schweizerische Flüchtlingspolitik, mussten die 1200 mit dem «Zug in die Freiheit» geretteten Jüdinnen und Juden die Schweiz so schnell als möglich wieder verlassen. Einige kehrten in ihre Heimatländer zurück und viele emigrierten nach Übersee oder Palästina. Nur wenige der Passagier*innen, die meisten von ihnen hochbetagt, durften dauerhaft in der Schweiz bleiben.
Eine Rettungsaktion aus privater Initiative
Die Befreiung der Gefangenen lässt sich auf die private Initiative des Schweizer Ehepaars Recha und Isaac Steinbuch zurückführen, welches von Europa aus für die nordamerikanische „Union of Orthodox Rabbis of the United States of America and Canada“ (UOR) und dessen Hilfswerk „Vaad Ha-Hatzalah“ aktiv waren. Im Oktober 1944 nahmen sie mit dem ehemaligen Schweizer Bundespräsidenten Jean-Marie Musy Kontakt auf und informierten ihn über ihre geplante Rettungsaktion. Musy hatte durch seine Sympathien für faschistische Regimes persönliche Kontakte in NS-Kreisen und deshalb bereits die Freilassung von mehreren Einzelpersonen erwirken können. Die Pläne für die Rettung der jüdischen Gefangenen aus Theresienstadt wurden schliesslich konkret, als Musy sich mehrmals mit Reichsführer SS Heinrich Himmler zu Verhandlungen in Deutschland traf. Diese beinhalteten ursprünglich auch Diskussionen über einen Plan, jede Woche 1200 Jüdinnen und Juden aus Konzentrationslagern zu befreien. Diese Ausweitung der Rettungsaktion scheiterte jedoch.
Die ersten Tage in St. Gallen
Während den ersten Tagen, welche die Befreiten in St. Gallen verbrachten, wurden einige von ihnen vom Schweizer Fotografen Walter Scheiwiller fotografiert. Die Fotoserie entstand für die Agentur «Photopress Zürich» (heute: Keystone).