Gardeja Memorial Republik Polen

Jüdisches Garnsee –
das Wunder vom Auftauchen einer versunkenen Welt

„Die Dürre von 2015 hat nicht nur die Bauern geplagt. Die negativen Folgen des Niederschlagsmangels sehen wir in der nahen Umgebung. Aber für Historiker sind jene negativen Folgen geradezu heilbringend. Auch im Ort Gardeja hat die Dürre Geheimnisse von vor Jahrzehnten enthüllt. In einem der wenigen großen Wasserbecken, die 1931 nicht trockengelegt wurden, ist vor den Augen der Angler ein interessanter Gegenstand wieder aufgetaucht. Anfangs hielten die Angler diesen Gegenstand für ein Denkmal. Erst nach dem Abwaschen des restlichen Seeschlamms stellte sich heraus, dass es sich um kein Denkmal handelte, sondern um eine Stele des jüdischen Friedhofs. Jene Stele war Teil eines Grabes, in dem Rosa Mamlock, geb. Itzig, begraben wurde. Sie kam am 25. Mai 1850 zur Welt und starb am 16. Oktober 1920.“

Michael Mamlock mit dem Grabstein seiner Urgroßmutter Rosa Mamlock

Die Wiederentdeckung dieser historisch wertvollen Stele wirft eine Reihe von Fragen auf, die sich bisher nur schwer beantworten lassen. In den deutschen Publikationen, die mit der Geschichte von Garnsee verbunden sind, stoßen wir auf Informationen, dass in der Stadt eine jüdische Gemeinde existierte. Mitglieder dieser Gemeinde beschäftigten sich mit Handel und Handwerk.

garnsee

Sie hatten Geschäftsverbindungen nach Marienwerder und waren als Filialgemeinde Garnsee der Synagogengemeinde Marienwerder, die seit 1852 bestand, zugeordnet. Die jüdische Gemeinde Garnsee besaß zwar keine eigene Synagoge, dafür aber eine Betstube, die sich im Doppelhaus des Eisenwarenhändlers Friedrich Gehrke in der Graudenzer Strasse 1 im ersten Stock befand. Sie wurde durch eine Holztreppe vom Hof aus betreten.
Die jüdischen Einwohner von Garnsee hatten aber ihren eigenen Friedhof. Er wurde von Rabbiner Dr. Neufeld aus Elbing 1938 inspiziert und die Ergebnisse an die zuständige jüdische Gemeinde in Marienwerder weitergegeben. Neufeld berichtet: „Der Friedhof hat ein festes Steintor, das sogar verschlossen ist, jedoch erübrigt sich dieser Verschluss, denn es ist keine Mauer, keine Hecke, kein Zaun. Infolgedessen sind die in keiner Weise geschützten Gräber zum Teil schon umgeworfen.“
Neufeld ermittelte elf Grabstellen und machte eine Abschrift von allen noch lesbaren Grabsteinen. Die früheste Bestattung war demzufolge die von Lewin Simonsohn, gestorben am 18. Januar 1862. Es ist aber davon auszugehen, dass der Friedhof deutlich früher, vermutlich schon 1812, angelegt wurde. Der Friedhof lag auf einem kleinen Hügel in der Nähe des Kamin-Sees. Nur Reste des Hügels sind bis heute erhalten geblieben. 1938 wurde dort ein Sportplatz angelegt, der 1967 ausgebaut
wurde.

Über die Lage des Friedhofs gibt ein Meßtischblatt von 1913 Auskunft.

karte

Unser Forschungsprojekt möchte die Erinnerung an die jüdischen Bürger in Garnsee in Deutschland und in Polen wieder ins Gedächtnis rufen und ihnen wieder einen Namen geben, ganz besonders auch vor dem Hintergrund der nationalsozialistischen Verfolgung.

Jüdische Kennkarte: Albert Mamlock
Jüdische Kennkarte: Albert Mamlock
Deportations/Todesannahme: Julius Salinger
Deportations/Todesannahme: Julius Salinger
Einbürgerungsurkunde der Eheleute Ascher

Zum Auftakt des Projekts besuchten Mitglieder des deutschen Teams im Juni 2017 den Bürgermeister von Gardeja, Herrn Kwiatkowski, und den Gemeinderat.

Anna Kolera, Dr. Gabriele Bergner, Michael Mamlock, Kazimierz Kwiatkowski, Bürgermeister von Gardeja, Sekretärin
Anna Kolera, Dr. Gabriele Bergner, Michael Mamlock, Kazimierz Kwiatkowski, Bürgermeister von Gardeja, Sekretärin
Lukasz Rezepcynski, Michael Mamlock, Dr. Gabriele Bergner, Anna Kolera
Lukasz Rezepcynski, Michael Mamlock, Dr. Gabriele Bergner, Anna Kolera

Eine erste Spurensuche führte zum einstigen jüdischen Friedhof am Kamin-See und zum nahegelegenen Wasserbecken.

Michael Mamlock vor dem ehemaligen jüdischen Friedhof
Michael Mamlock vor dem ehemaligen jüdischen Friedhof
Plateau des Hügels des ehemaligen jüdischen Friedhofes
Plateau des Hügels des ehemaligen jüdischen Friedhofes

Hier wird eine Gedenkstätte mit Hilfe der Gemeinde errichtet. Sie bietet Platz für Gruppen von Reisebussen, für Besichtigungen und Vorträge.

Zur Umsetzung dieses Projekts ist eine enge Zusammenarbeit zwischen beiden Ländern erwünscht. Das Projekt soll eine Brücke bauen im Verständnis der für beide Länder schwierigen Vergangenheit. Menschliche Begegnungen und der Austausch mit den letzten noch lebenden Zeitzeugen werden dazu beitragen, die deutsch-polnische Verständigung fortzusetzen.